Was Hund & Katze wirklich brauchen
Artgerechte Haltung klingt nach Fachbegriff – bedeutet aber im Kern etwas sehr Einfaches:
Ihr Tier soll so leben können, dass seine natürlichen Bedürfnisse bestmöglich erfüllt werden. Nicht nur satt und „versorgt“, sondern körperlich und seelisch im Gleichgewicht.
In diesem Leitfaden erfahren Sie, was artgerechte Haltung konkret bedeutet, welche Bedürfnisse Hunde und Katzen haben und wie Sie mit überschaubaren Anpassungen im Alltag sehr viel für das Wohlbefinden Ihres Tieres tun können. 🐶🐱
1. Was bedeutet „artgerecht“ überhaupt?
„Artgerecht“ heißt:
Die Lebensbedingungen kommen dem, was ein Tier von seiner Natur her braucht, so nahe wie möglich.
Dazu gehören u. a.:
- ausreichend Platz und passende Umgebung
- arttypische Beschäftigung (Schnüffeln, Jagen, Spielen, Klettern …)
- angemessene Sozialkontakte (zu Mensch und ggf. Artgenossen)
- sinnvolle Ernährung und Hygiene
- Schutz vor Stress, Überforderung und dauerhafter Langeweile
Wichtig: Artgerechte Haltung ist kein Luxus, sondern die Grundlage für körperliche Gesundheit und stabiles Verhalten.
2. Grundbedürfnisse: Die Basis für jedes Haustier
Bevor es um Details geht, brauchen alle Haustiere – egal ob Hund oder Katze – einige Dinge unbedingt:
- Frisches Wasser rund um die Uhr
- hochwertiges Futter, angepasst an Alter, Größe und Gesundheitszustand
- einen sicheren Rückzugsort, an dem sie ungestört schlafen können
- eine saubere Umgebung (gepflegtes Katzenklo, regelmäßige Reinigung von Näpfen, Körbchen, Decken)
- Schutz vor Hitze, Kälte, Zugluft
Wenn diese Basis nicht stimmt, hilft auch das beste Training wenig – Ihr Tier kann sich dann schlicht nicht wohlfühlen.
3. Platz & Umgebung: Mehr als nur „Dach über dem Kopf“
Für Hunde
Hunde brauchen:
- genügend Platz, um sich in der Wohnung frei bewegen zu können
- einen festen Schlafplatz, an dem sie nicht ständig gestört werden
- regelmäßigen Zugang zur Außenwelt: Spaziergänge, neue Gerüche, Geräusche, Eindrücke
Ein Hund, der ständig nur „kurz ums Haus“ geführt wird und ansonsten auf wenige Quadratmeter beschränkt bleibt, kann auf Dauer kaum artgerecht gehalten werden.
Für Katzen
Bei Katzen unterscheidet man grob:
- Freigänger
- Wohnungskatzen
Freigänger holen sich einen Teil der Beschäftigung selbst; Wohnungskatzen sind vollständig auf Sie angewiesen.
Für Wohnungskatzen sind wichtig:
- Kletter- und Kratzmöglichkeiten (Kratzbaum, Regale, Liegeflächen)
- erhöhte Plätze zur Beobachtung
- sichere Fensterplätze mit Ausblick
- mehrere Rückzugsorte, idealerweise in der Höhe
Je abwechslungsreicher Sie Ihre Wohnung gestalten, desto mehr kann Ihre Katze ihre natürlichen Bedürfnisse ausleben.
4. Sozialkontakte: Allein, zu zweit oder im Rudel?
Hund
Hunde sind soziale Tiere. Sie brauchen:
- verlässliche Bezugsperson(en)
- tägliche gemeinsame Zeit: Spaziergänge, Spiel, Training, Kuscheln
- klare, liebevolle Strukturen – keine dauerhafte Isolation
Lange tägliche Phasen alleine (z. B. 8–10 Stunden ohne Ausgleich) sind für viele Hunde problematisch. Alleinbleiben muss zudem trainiert werden, es ist keine Selbstverständlichkeit.
Katze
Katzen sind nicht automatisch Einzelgänger.
Entscheidend ist:
- Charakter: manche Katzen genießen Artgenossen, andere sind sehr menschenbezogen
- Vorgeschichte: gut sozialisierte Katzen kommen oft mit Partnern besser zurecht
- Haltung: Wohnungskatzen profitieren häufig von einem passenden Katzenpartner, wenn genügend Platz und Ressourcen vorhanden sind
Wichtig bei mehreren Tieren:
Genügend Ressourcen bereitstellen (Toiletten, Futterplätze, Liegeflächen), damit kein Dauerstress entsteht.
5. Artgerechte Beschäftigung: Kopf & Körper auslasten
Langeweile ist einer der Hauptgründe für Verhaltensprobleme – bei Hunden und Katzen.
Hunde artgerecht beschäftigen
- regelmäßige Spaziergänge mit Schnüffelzeit statt nur „Gassi im Eiltempo“
- Nasenarbeit (Suchspiele, Futterverstecke, Futterdummy)
- kleine Trainingseinheiten: Grundkommandos, Tricks, Alltagssituationen üben
- je nach Typ: Zerrspiele, Apportieren, Dummyarbeit, Mantrailing etc.
Wichtig: Nicht nur körperlich „müde laufen“, sondern auch geistig fordern.
Hunde, die ausschließlich über Action ausgelastet werden, drehen oft eher hoch als runter.
Katzen artgerecht beschäftigen
- tägliche Jagdspiele mit Angel, Federwedel oder Spielmäusen
- Intelligenzspiele/Fummelbretter, bei denen Futter erarbeitet wird
- Versteckspiele, Kartons, Papiertüten (ohne Henkel!)
- Clickertraining (ja, auch Katzen können Tricks lernen)
Richtwert: Mehrere kurze Spielrunden am Tag (5–10 Minuten) sind oft besser als eine lange.
6. Gesundheit & Pflege als Teil artgerechter Haltung
Zur artgerechten Haltung gehört auch, gesundheitliche Probleme früh zu erkennen bzw. zu verhindern.
Bausteine:
- regelmäßige Tierarztchecks (mindestens 1× jährlich, Senioren öfter)
- Impfungen nach Empfehlung des Tierarztes
- Parasitenprophylaxe (Flöhe, Zecken, Würmer)
- geeignete Zahnpflege (Zahnkontrollen, ggf. Kauartikel oder Zahnpflegeprodukte)
- Fellpflege – je nach Rasse bürsten, Filz entfernen, Haut kontrollieren
- bei Bedarf: Gewichtsmanagement (Übergewicht ist ein ernstes Gesundheitsrisiko)
Ein Tier, das dauerhaft Schmerzen hat, zu dick oder unterversorgt ist, kann nicht wirklich „artgerecht“ leben – egal wie schön das Spielzeug ist.
7. Stress erkennen und vermeiden
Stress ist einer der größten „Feinde“ artgerechter Haltung – und wird oft übersehen.
Typische Stresssignale:
Beim Hund:
- übermäßiges Hecheln ohne Hitze
- Gähnen in unangenehmen Situationen
- über die Schnauze lecken
- Verstecken, Klammern an der Bezugsperson
- Unruhe, jaulen, destruktives Verhalten beim Alleinsein
Bei der Katze:
- Rückzug, Verstecken
- plötzliches Fressen oder Appetitlosigkeit
- vermehrtes Putzen bis hin zu kahlen Stellen
- Unsauberkeit, Markieren
- Fauchen, Knurren, ungewohnte Aggression
Artgerechte Haltung heißt auch:
Stressauslöser erkennen und – soweit möglich – minimieren. Dazu gehören z. B. zu laute Umgebungen, fehlende Rückzugsorte, Konflikte mit anderen Tieren oder unsichere Routinen.
8. Besondere Herausforderungen in der Wohnungshaltung
Wohnungshaltung kann artgerecht sein – wenn Sie einige Punkte beachten:
- ausreichende Bewegungsmöglichkeiten (Klettern, Springen, Laufen)
- abwechslungsreiche Umgebung (wechselnde Spielsachen, neue Wege, Verstecke)
- Rückzug in ruhige Räume, wenn es laut wird (Besuch, Kinder, Renovierung usw.)
- bei Hunden: ausreichende und abwechslungsreiche Spaziergänge, kein „nur kurz zum Lösen vor die Tür“
Je kleiner der Raum, desto wichtiger sind Struktur, Beschäftigung und Rückzugsmöglichkeiten.
9. Häufige Missverständnisse – und was wirklich dahinter steckt
- „Er hat alles: Futter, Wasser, Bett – was will er noch?“
→ Tiere brauchen mehr als Grundversorgung: Beschäftigung, Interaktion, mentale Herausforderungen. - „Die Katze ist eben zickig.“
→ Oft ist sie gestresst, unterfordert oder gesundheitlich angeschlagen. - „Der Hund ist stur, er hört nicht.“
→ Häufig versteht er das Signal nicht, ist überfordert oder bekommt widersprüchliche Signale. - „Er/Sie macht das aus Trotz.“
→ Unsauberkeit, Zerstörung oder Aggression sind fast immer Stress- oder Hilfesignale, keine Rache.
Artgerecht heißt auch: Verhalten als Kommunikation verstehen, nicht als „Absicht, mich zu ärgern“.
10. Artgerechte Haltung im Alltag – kleine Schritte, große Wirkung
Sie müssen Ihr Leben nicht komplett umkrempeln, um artgerechter zu halten. Schon kleine Veränderungen machen viel aus:
- täglich bewusst Zeit für qualitative Beschäftigung einplanen
- Rückzugsorte schaffen und respektieren
- Spaziergänge abwechslungsreicher gestalten (neue Wege, Suchspiele)
- bei Katzen Kletter- und Beobachtungsmöglichkeiten schaffen
- Gewicht, Verhalten und Allgemeinzustand im Blick behalten
Fragen Sie sich immer wieder:
„Kann mein Tier so leben, dass es seine natürlichen Verhaltensweisen ausleben kann – oder verhindere ich das (unbewusst)?“
Fazit: Artgerechte Haltung ist gelebter Respekt
Artgerechte Haltung bedeutet, Ihr Tier nicht als „Deko“ oder reinen Kuschelpartner zu sehen, sondern als fühlendes Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen.
Wer sich die Zeit nimmt, diese Bedürfnisse zu verstehen und den Alltag entsprechend anzupassen, wird belohnt mit:
- einem gesünderen, ausgeglicheneren Tier
- weniger Verhaltensproblemen
- einer tieferen, vertrauensvolleren Bindung